September 30, 2010

Das Gift christlicher Extremisten



Christopher Hitchens 2007: God is not great

pt 2 & pt 3 & pt 4 & pt 5

Are you there, God? It's me, Hitchens. ("sober journo-intellectuals")

chapter two)
Belgrad war bis in die 80er Jahre die Hauptstadt Jugoslawiens, des Landes der Südslawen. Damit war sie definitionsgemäß die Metropole eines multiethnischen und multikonfessionellen Staates. Doch ein säkularer kroatischer Intellektueller warnte mich einmal mit einer Anekdote, die mich an den Belfaster Galgenhumor erinnerte. "Wenn ich den Leuten sage, dass ich Atheist und Kroate bin," sagte er, "bitten sie mich um einen Beweis dafür, dass ich kein Serbe bin." Ein Kroate zu sein, heißt mithin, römisch-katholisch zu sein. Ein Serbe ist orthodoxer Christ. In den 40er Jahren entstand in Kroatien ein nationalsozialistischer Marionettenstaat, der unter dem Schutz des Vatikans stand und nicht nur alle Juden der Region auslöschen wollte, sondern auch versuchte, die Anhänger der anderen christlichen Konfession zum Übertritt zu zwingen. Zehntausende orthodoxer Christen wurden damals ermordet oder deportiert, und in der Nähe der Stadt Jasenovacs entstand ein riesiges Konzentrationslager. Das Regime des Generals Ante Pavelic und seiner "Ustascha"-Partei war so grauenhaft, dass sich sogar viele deutsche Offiziere davon distanzierten.

Als ich 1992 das Konzentrationslager von Jasenovacs besuchte, hatten sich die Verhältnisse umgekehrt. Die kroatischen Städte Vukovar und Dubrovnik waren von serbischen Streitkräften brutal bombardiert worden und befanden sich mittlerweile in der Hand von Slobodan Milosevic. Die vorwiegend muslimische Stadt Sarajevo war belagert und wurde rund um die Uhr bombardiert. Anderswo in Bosnien-Herzegowina, insbesondere am Fluss Drina, wurden ganze Städte geplündert und die Bewohner massakriert. Die Serben bezeichneten dies als "ethnische Säuberung", der Ausdruck " religiöse Säuberung" käme der Wahrheit aber wohl näher.
Der exkommunistische Bürokrat Milosevic war zu einem xenophoben Nationalisten mutiert. Seinen antimuslimischen Kreuzzug, der als Deckmäntelchen für die Einverleibung Bosniens in ein "Großserbien" diente, bestritt er größtenteils mit inoffiziellen Milizen, die aber seiner Kontrolle unterstanden. Diese Banden rekrutierten sich aus religiösen Eiferern, die häufig von orthodoxen Priestern und Bischöfen gesegnet wurden und hin und wieder Verstärkung von orthodoxen "Freiwilligen" aus Griechenland und Russland erhielten. Ihr besonderes Augenmerk richteten sie auf die restlose Zerstörung der osmanischen Zivilisation, so geschehen bei der besonders grauenhaften Bombardierung historischer Minarette in Banja Luka, die nicht etwa im Rahmen von Kampfhandlungen, sondern während einer Waffenruhe erfolgte.

Nicht anders – und das wird häufig vergessen – gingen ihre katholischen Gegner vor.
In Kroatien ließ man die Ustascha-Gruppen wieder aufleben und versuchte, wie schon im Zweiten Weltkrieg, die Herzegowina zu erobern. Die wunderschöne Stadt Mostar wurde bombardiert und belagert und die weltberühmte Stari Most (Alte Brücke), die auf türkische Zeiten zurückgeht und von der UNESCO als Weltkulturerbe geführt wird, so lange beschossen, bis sie in den Fluss stürzte.
Letztlich spielten extremistische katholische und orthodoxe Kräfte einander bei der blutigen Teilung und "Säuberung" Bosnien-Herzegowinas in die Hände.
Bis heute bleibt ihnen die öffentliche Schande dafür überwiegend erspart, weil die internationalen Medien immer von "den Kroaten" und "den Serben" sprachen und die Religion nur ins Feld führten, wenn von "den Muslimen" die Rede war. Doch die Begriffstrias "Kroate", "Serbe" und "Muslim" ist uneinheitlich und irreführend, da es sich um zwei Nationalitäten und eine Religion handelt – vergleichbares geschieht in der Berichterstattung über den Irak mit den drei Begriffen "Sunniten", "Schiiten" und "Kurden".
In Sarajevo lebten während der Belagerung mindestens zehntausend Serben, und einer der führenden Befehlshaber der Verteidigung, ein Offizier und Gentleman namens General Jovan Divjak, dem ich unter Beschuss die Hand schütteln durfte, war ebenfalls Serbe. Auch die jüdische Bevölkerung Sarajevos, die auf das Jahr 1492 zurückging, identifizierte sich überwiegend mit der Regierung und der bosnischen Sache.
Es wäre sehr viel zutreffender gewesen, wenn in Presse und Fernsehen berichtet worden wäre:

"Heute haben die Streitkräfte der orthodoxen Christen die Bombardierung von Sarajevo wieder aufgenommen" oder:
"Gestern hat die katholische Miliz die Stari Most zum Einsturz gebracht."

Doch die religiöse Terminologie war den "Muslimen" vorbehalten, sogar dann noch, als deren Mörder sich die Mühe machten, sich mit einem großen orthodoxen Kreuz auf dem Schultergurt oder Bildern der Jungfrau Maria auf dem Gewehrkolben kenntlich zu machen.
Auch hier gilt: Die Religion vergiftet alles, bis hin zu unserer Urteilsfähigkeit.

In Bethlehem, das gestehe ich Mr. Prager gern zu, würde ich mich an einem guten Tag in der Abenddämmerung vor der Geburtskirche durchaus sicher fühlen. In der unweit von Jerusalem gelegenen Stadt bekam Gott, so glauben es viele, in Zusammenarbeit mit einer unbefleckten Jungfrau einen Sohn.
"Die Geburt Christi war aber also getan. Als Maria, seine Mutter, dem Joseph vertraut war, fand sich's, ehe er sie heimholte, dass sie schwanger war von dem heiligen Geist."
Ja, und der griechische Halbgott Perseus wurde geboren, nachdem Zeus die Jungfrau Danae in Gestalt eines Goldregens besucht und geschwängert hatte. Buddha kam durch eine Öffnung in der Hüfte seiner Mutter zur Welt. Der Aztekengott Huitzilopochtli wurde geboren, nachdem seine Mutter Coatlicue, "die mit dem Schlangenrock", einen kleinen Daunenfederball aus dem Himmel empfangen hatte. Die Jungfrau Nana pflückte die Frucht des Mandelbaums, der aus dem Blut des erschlagenen Urwesens Agdistis aufgegangen war, legte sie sich in den Schoß und gebar den Gott Attis. Die jungfräuliche Tochter eine Mongolenkönigs erwachte eines Nachts von einem grellen Licht, das sie umgab, und gebar den Dschingis Khan. Krishna wurde von der Jungfrau Devaki geboren, Horus von der Jungfrau Isis. Die Jungfrau Maia gebar Hermes, die Jungfrau Rhea Silvia Romulus.
Aus irgendeinem Grund betrachteten viele Religionen den Geburtskanal zwanghaft als Einbahnstraße, und sogar der Koran bringt der Jungfrau Maria Verehrung entgegen.
Als die päpstliche Armee zu den Kreuzzügen ausrückte, um Bethlehem und Jerusalem zurückzuerobern, machte das allerdings keinen Unterschied: Die Truppen zerstörten nebenbei jüdische Gemeinden, plünderten unterwegs das ketzerische christliche Byzanz und richteten in den engen Gassen von Jerusalem ein Massaker an, von dem hysterische Chronisten hämisch berichteten, dass das Blut den Pferden bis zum Zaumzeug stand.

S. 67, Kap. 4)
Eine hypothetische Frage: Ich werde dabei erwischt, wie ich, ein Mann von 57 Jahren, einem männlichen Baby am Penis lutsche. Wut und Ekel würden mir entgegenschlagen. Aber selbstverständlich habe ich eine Erklärung zur Hand: Ich bin ein Mohel und wurde bestellt eine Beschneidung vorzunehmen. Meine Autorität beziehe ich aus einem Text des Altertums, der mir aufträgt, den Penis des kleinen Jungen in die Hand zu nehmen, die Vorhaut ringsum einzuschneiden und die rituelle Handlung zu beenden, indem ich den Penis in den Mund nehme, die Vorhaut absauge und die amputierte Haut samt einem Mund voll Blut und Speichel ausspucke.
Diese Praxis ist bei den meisten Juden nicht mehr üblich, weil sie unhygienisch ist und zudem unangenehme Assoziationen weckt, doch die chassidischen Fundamentalisten, die bis heute auf einen Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem hoffen, führen sie noch durch. Sie betrachten den primitiven Ritus des Peri'ah Metsitsah als Teil des ursprünglichen und unzertrennlichen Bundes mit Gott. Im Jahr 2005 wurde in New York bekannt, dass sich mehrere kleine Jungen bei dem von einem 57 Jahre alten Mohel durchgeführten Ritual mit Genitalherpes angesteckt hatten, an dem mindestens zwei Kinder starben. Unter anderen Umständen hätte sich das Gesundheitsamt durch diese Nachricht dazu veranlasst gesehen, das Ritual zu verbieten, und der Bürgermeister hätte sich öffentlich davon distanziert. In der Hauptstadt der modernen Welt im ersten Jahrzehnt des 21. Jh. sollte es jedoch anders kommen: Bürgermeister Bloomberg schrieb Warnungen angesehener jüdischer Ärzte vor den Gefahren des Brauches in den Wind und wies seine Gesundheitsbehörde an, vorerst keine Entscheidung zu fällen. Es gelte nun vor allem, so Bloomberg, dafür Sorge zu tragen, dass die freie Religionsausübung nicht eingeschränkt werde. Das bekam ich in einer öffentlichen Debatte auch von Peter Steinfels, dem liberalen katholischen Redakteur, der bei der New York Times für die Rubrik Religion zuständig ist, zu hören.

Zufällig fanden in jenem Jahr Bürgermeisterwahlen in New York statt, was häufig vieles erklärt. Doch das Prinzip greift auch in anderen Religionen, anderen Bundesstaaten, anderen Städten und anderen Ländern. In weiten Teilen des animistischen und muslimischen Afrika werden Mädchen der Hölle der Beschneidung oder der Infibulation ausgesetzt, bei der, oft mit einem scharfen Stein, die Klitoris und die kleinen Labien beschnitten werden und der Vaginalausgang anschließend mit dickem Garn zugenäht wird – die Naht wird erst in der Hochzeitsnacht vom Ehemann gewaltsam geöffnet. Bis dahin verlangen das Mitgefühl und die Erfordernisse der Biologie das Belassen einer kleinen Öffnung für den Urin und das Menstruationsblut. Der Gestank, der Schmerz, die Erniedrigung und das Elend, die daraus erwachsen, übersteigen jede Vorstellungskraft. Die Folge sind Infektionen, Sterilität, Scham und der Tod vieler Frauen und Säuglinge bei der Geburt.
Keine Gesellschaft würde einen solchen Angriff auf ihre Frauen und somit auf ihren eigenen Fortbestand tolerieren, wenn der grauenhafte Brauch nicht heilig wäre. Doch auch ein New Yorker lässt Gräueltaten gegen Babys nur unter dieser Voraussetzung zu.
Eltern, die den widersinnigen Behauptungen der "Christian Science" glauben, hat man verschiedentlich angeklagt, jedoch nicht immer verurteilt, weil sie ihrem Nachwuchs dringend notwendige medizinische Hilfe verweigert hatten. Eltern, die sich "Zeugen Jehovas" nennen, erlauben für ihre Kinder keine Bluttransfusionen.
Mormonische Eltern, die daran glauben, dass einem gewissen Joseph Smith einst der Weg zu vergrabenen Goldplatten gewiesen wurde, verheiraten ihre minderjährigen Töchter bevorzugt mit einem Onkel oder Cousin, der oft bereits ältere Ehefrauen hat.

Die schiitischen Fundamentalisten im Iran haben das "Einwilligungs"-Alter auf neun Jahre gesenkt, vielleicht im bewundernden Andenken an die jüngste "Frau" des "Propheten" Mohammed.
Hindu-Kindsbräute in Indien werden ausgepeitscht und manchmal bei lebendigem Leib verbrannt, wenn die armselige Mitgift, die sie mit in die Ehe bringen, als zu gering erachtet wird. Der Vatikan und sein umfangreiches Diözesennetz mussten allein im vergangenen Jahrzehnt in zahllosen Fällen von Kindesmissbrauch und Kindesmissbehandlung ihre Komplizenschaft eingestehen. Die Vergehen waren vorwiegend aber durchaus nicht ausschließlich homosexuell motiviert, wobei bekannte Päderasten und Sadisten vor Strafe geschützt und in Gemeinden versetzt wurden, in denen sie eine noch größere Auswahl an unschuldigen und schutzlosen Opfern fanden. In Irland – einst unzweifelhaft treu der Holy Mother Church ergeben – sind heute einer Schätzung zufolge in den religiösen Schulen die nicht missbrauchten Kinder in der Minderzahl.

Nun pocht die Religion beim Schutz und bei der Bildung von Kindern auf eine Sonderrolle. "Wehe dem," sagt der Großinquisitor in Dostojewskis Die Brüder Karamasow, "der einem Kind etwas zuleide tut!" Jesus erklärt im Neuen Testament, einer, der sich eines solchen Verbrechens schuldig mache, sei besser im Meer aufgehoben, "wo es am tiefsten ist," und zwar mit einem Mühlstein um den Hals. Doch in Theorie und Praxis bedient sich die Religion der Unschuldigen und Wehrlosen für ihre Experimente.
Sollen doch die praktizierenden jüdischen Männer ihren frisch beschnittenen blutigen Penis einem Rabbi in den Mund stecken – was zumindest in New York legal wäre. Sollen sich Frauen, die ihren Schamlippen misstrauen, doch von anderen erbärmlichen Frauen beschneiden lassen. Soll sich Abraham doch zur Selbsttötung bereit erklären, um seine Demut vor dem Herrn zu beweisen oder seinen Glauben an die Stimmen in seinem Kopf. Sollen sich doch fromme Eltern bei akuten Schmerzen den Beistand durch die Medizin versagen. Soll sich meinetwegen der Priester, der sich zum Zölibat verpflichtet hat, als promisker Homosexueller betätigen. Soll sich die Gemeinde, die an Teufelsaustreibungen glaubt, doch jede Woche einen erwachsenen Sünder herauspicken und auspeitschen, bis er blutet. Soll doch der Kreationismus-Anhänger seine Kollegen in der Mittagspause belehren.
Aber das schutzlose Kinder zu diesen Zwecken missbraucht werden, kann auch der überzeugteste Säkularist getrost als Sünde bezeichnen.

Ich stelle mich nicht als moralisches Vorbild hin und würde schnell Schiffbruch erleiden, wenn ich es versuchte. Doch wenn man mich verdächtigte, ein Kind vergewaltigt, ein Kind gepeinigt, es mit einer Geschlechtskrankheit infiziert oder es in die sexuelle oder anders geartete Sklaverei verkauft zu haben, würde ich wohl über Suizid nachdenken, egal ob ich schuldig wäre oder nicht. Hätte ich aber eine solche Tat auch wirklich begangen, würde ich den Tod in jeder Form begrüßen. Diese Abscheu ist bei einem gesunden Menschen angelegt und braucht ihm nicht erst beigebracht zu werden. Da die Religion ausgerechnet dort in unerreichtem Maße straffällig geworden ist, wo moralische und ethische Autorität als universell und absolut bezeichnet werden kann, dürfen wir hier vorläufig mindestens drei Schlüsse ziehen.
Erstens: Die Religion und die Kirchen wurden vom Menschen geschaffen, und da das so offensichtlich ist, kann man es auch nicht ignorieren. Zweitens: Ethik und Moral sind vom Glauben unabhängig und lassen sich nicht aus ihm ableiten. Drittens: Da die Religion für ihre Praktiken und Glaubensinhalte eine göttliche Ausnahmeregelung geltend machen möchte, ist sie nicht nur amoralisch sondern unmoralisch (Werner Köhne).
Der unwissende Psychopath oder Rohling, der seine Kinder misshandelt, muss bestraft werden, man kann sein Handeln aber vielleicht nachvollziehen. Wer sich aber für seine Grausamkeiten auf eine himmlische Rechtfertigung beruft, ist mit dem Bösen behaftet – und stellt eine erheblich größere Gefahr dar.

I pose a hypothetical question. As a man of some fifty-seven years of age, I am discovered sucking the penis of a baby boy. I ask you to picture your own outrage and revulsion. Ah, but I have my explanation all ready. I am a mohel: an appointed circumciser and foreskin remover. My authority comes from an ancient text, which commands me to take a baby boy's penis in my hand, cut around the prepuce, and complete the action by taking his penis in my mouth, sucking off the foreskin, and spitting out the amputated flag along with a mouthful of blood and saliva.

0 comments: