S. 156 f.) Der Heiligenberg bei Heidelberg
Auch auf dem schon in der Steinzeit besiedelten und von ausgedehnten vorgeschichtlichen Befestigungen umgebenen Heiligenberg befand sich ein Bergheiligtum. Kelten, Germanen, Römer und Christen verehrten in einer ununterbrochenen kultischen Tradition hier ihre Gottheiten. (Im Dritten Reich wurde der Heiligenberg zur "germanischen Feierstätte". Der mächtige Thingplatz ist noch gut erhalten!)
Auch die dem St. Michael geweihte Basilika-Ruine auf dem Gipfel ist Hinweis auf einen vorchristlichen Bergkult: Michaelskapellen wurden oft am Orte heidnischer Kultstätten errichtet. Hier ist die Ablösung des Merkurkultes durch den christlichen Michaelskult archäologisch belegt: Unter der Basilika liegt ein gallorömischer Tempel. Auch die "collosalische" Statue Dianas ist überliefert. In den Sagen über Hexenumzüge, die sich um den Berg weben, entdeckt man die Reste heidnischer Kulturumzüge.
S. 159 f.)
"Ein alter Zauber" liegt auf dem Knillwäldchen bei Sontheim. Als "Heiliger Hain" wird er bezeichnet, als alte Orakelstätte – auch ohne archäologische Beweise. Tatsächlich umfängt die Menschen, wenn sie zwischen den beiden hohen Bäumen hineingehen, eine Art heiliger, ehrfürchtiger Atmosphäre. Und es ist gut vorstellbar, dass schon in uralten Zeiten Menschen hier ihre Naturreligion ausübten.
S. 160)
"Einer der schönsten und stärksten Plätze, die ich kenne," nennt die Matriarchatsforscherin Ute Schiran – Menschenfrauen fliegen wieder, München 1988 – die sich in der Tradition der weisen Frauen und Heilerinnen sieht, den Ipf bei Bopfingen. Oben auf dem Plateau, "wo immer der Wind weht," feiert sie zusammen mit anderen Frauen aus der Umgebung die Jahreskreisfeste und ihre rituellen Zusammenkünfte.
S. 170)
Im Klotzgau, dem "Land der glucksenden Quellbäche", liegen die Chamnitzen (bis 1760 Kemnitzen), zwischen Kümmersreuth und Lahm, wo einem der Sage nach die Wilde Jagd begegnen kann.
S. 178)
Trotz der zeitlichen und örtlichen Entfernung repräsentiert der Hügel von Oberaudorf jedenfalls dasselbe Prinzip mythischer Erhöhung, wie es den mittelamerikanischen Opferpyramiden und dem babylonischen Turmbau zugrunde "liegt". Die beiden Flügel des Winkels bilden am Treffpunkt ein kleines Plateau mit Blick gegen die aufgehende Sonne. So mag an diesem heiligen Platz vor vielen Generationen ein Sonnenkult gefeiert worden sein.
S. 227) Der Wurmberg bei Braunlage mit zwei Hexentreppen
S. 243) Der Sachsenhain von Verden
Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte durch kirchliche Bauwerke – die inzwischen z.T. durch Blitzschlag abgebrannt sind – eine Christianisierung der Stätte.
S. 261) Die Externsteine bei Horn
Vom 18. Jh. bis heute wird immer wieder die These vertreten, dass die Externsteine der Standort der von Karl dem Großen zerstörten Irminsul gewesen sei, des zentralen sächsischen Heiligtums, der "Hauptgötzensitz der Deutschen". [...] "Man mag sich wehren und wenden, wie man will, man findet sich wie in einem magischen Kreise gefangen." schrieb Goethe.
S. 266) Die Bruchhauser Steine bei Brilon
"Das großartigste Denkmal der Vorzeit in Westfalen" werden die vier mächtigen Felstürme auf der Anhöhe des Istenbergs genannt. Wie die Externsteine sind auch die Bruchhauser Steine Natur- und Kulturdenkmal. Feldstein, Ravenstein, Bornstein – auf seinem Gipfel gibt es eine "kristallklare Quelle" – und Goldstein bilden die aufragenden Eckpfeiler, die mit Steinwällen und davor liegenden Gräben zu einer vorgeschichtlichen Wallanlage zusammengefügt sind.
S. 273)
Eine so auffällige Erscheinung wie der Wallenborn, eine heute noch brodelnde, stinkende Schwefelquelle, war unseren Ahnen sicher schon vor Errichtung des umfangreichen Pilgerzentrums ein heiliger Ort. Überall gluckert und blubbert es in diesen überaus trockenen Sommerwochen aus dem Boden. Und an den Quellen hört man tief aus der Erde ein unterirdisches Brodeln und Gurgeln.
Das heilige = heilende Wasser wurde unter Gebeten und rituellen Kulthandlungen zu Trink- und Badekuren benutzt. Im heutigen dichten Laubwald lag ein typisches gallorömisches Quellheiligtum mit drei Tempeln (südwestlich an die Schwefelquelle anschließend) und einem Theater für kultische Spiele. Für die Pilger gab es östlich des von einer Mauer umgrenzten heiligen Bezirks Herbergen, Bäder und eine Heiltherme mit einem 50 qm großen beheizten Becken. Im Bad wurden Terrakotta-Fragmente von Muttergöttinnen gefunden.
Das Heiligtum, wohl ursprünglich in einem Eichenwald, wurde offenbar im Zusammenhang mit den Germaneneinfällen 275/276 n.Chr. aufgegeben. Aber noch im 17. Jh. schreibt der Jesuit Jakob Masen: (Dramentheorie)
Und Ende des 19. Jh. wird bezeugt, dass der Wallenborn immer noch bei Kinderkrankheiten aller Art aufgesucht wird."Manche nehmen übrigens diese Quellen, obgleich sie wegen übermäßigen Schwefelgehaltes und der durch das stete Wallen verursachten Trübung gar nicht angenehm zu trinken sind, als Medizin."
S. 285) Das Mithrasheiligtum von Schwarzerden
So beschreibt Reinhard Schindler die Rituale in den orientalischen Kulthöhlen. "Wie durch ein Wunder" ist in der Rückwand der ehemaligen Felsgrotte von Schwarzerden das eingemeißelte Relief des stiertötenden Lichtgottes erhalten geblieben. Altäre, Feuer- und Wasserbecken waren nach vorgeschriebener Kultordnung im Raum vor dem Bild verteilt. Ein Vorraum schloss den zentralen Kultraum der Felsenhöhle nach außen ab."Im Dunkel der von flackernden Öllämpchen und der Glut des Opferfeuers mystisch erhellten Höhle feierten die Gläubigen nach strengen Riten und nach einer von den Regeln orientalischer Magie bestimmten Liturgie mit Schlachtungen, Verkleidungen, Musik und unter vokalreichen Deklamationen ihr Opfermahl."
S. 289) Der Kelte Biber verehrte die gallische Bärengöttin Artio (bei Weilerbach).
S. 290) Das Waldheiligtum Dianas bei Hilst
Da ist nur ein Problem: es liegt 20 m auf französischem Gebiet. Aber von deutscher Seite aus besser – und ohne Schwierigkeiten – zu erreichen.
Das Relief auf der senkrechten Felswand am Hang stellt die Jagdgöttin Diana mit Pfeil und Bogen und ihrem Jagdhund dar, zu ihren beiden Seiten Herkules und Apollo.
S. 295)
Das Mithrasheiligtum am Abhang des Halbergs (= Höhlenberg) wird im Volksmund von jeher "Heidenkapelle" genannt. Bereits in spätrömischer Zeit, vermutlich im 4. Jh., wurde die orientalische Kulthöhle von frühchristlichen Bilderstürmern rigoros zerschlagen. Nur noch Reste des Relief- und Figurenschmucks des Mithrasdienstes konnten sichergestellt werden. Der Mithrasglaube war damals als Weltreligion im römischen Imperium eine starke Konkurrenz zu dem aufstrebenden Christentum. Im späten Mittelalter wurden dann eine christliche Wallfahrtskapelle und eine Eremitenklause eingebaut.
Skulpturreste mit einer Vogelklaue und einem Mondgesicht, Öllämpchen, kleine Tonteller mit Ausgusstülle, Schalen und Schüsseln wurden gefunden, die wohl zu den alle mithräischen Feiern begleitenden kultischen Mahlzeiten gehörten.
S. 303) Das Thorsberger Moor von Süderbrarup
S. 321)
Wahrscheinlich ist Helgoland die heilige Insel Fositesland, das friesische Heiligtum des Gottes Fosite, des Sohnes Balders, der Gott des Erntesegens und des Friedens.
S. 327 f.)
Ich sprach auf meinen Fahrten mit Wissenschaftlern unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Linientreue. Aber die interessantesten Gespräche waren zweifellos mit dem – bei seinen Kollegen nicht unumstrittenen – 80jährigen Professor Günther Behm-Blancke in Weimar, dem "Heiligtümerpapst". Von seinen Mitarbeitern wird der "der alte Schamane" genannt. Er hat heilige Stätten gleich en gros gefunden [...] Auch das älteste Schamanengrab und das früheste christliche Priestergrab hat natürlich er entdeckt. [...]
So wurde der Papst auf Behm-Blancke aufmerksam, die Unesco machte ihn zu ihrem Mitglied, und der Bischof von Erfurt sitzt einmal im Monat bei ihm im Studierzimmer, um über die Rituale des vorgeschichtlichen Menschen und der Katholiken zu diskutieren. [...]
Doch BB ging als erster – und das schon sehr früh – über die nüchternen Quellen hinaus, indem er versuchte, die geistigen Bezüge im Leben und Denken des vorgeschichtlichen Menschen aufzudecken. In seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Ordinarius an der Universität Jena infizierte er ganze Generationen von angehenden Prähistorikern, die inzwischen selbst erfolgreiche Ausgräber sind und ihre Funde recht freizügig im geistigen Bereich interpretieren. Von einer Angst vor der Beschäftigung mit allem Kultischen ist hier nichts zu spüren.
"Gar kein Problem," sagt Dr. Hermann Behrens, 21 Jahre lang Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle, "denn hinter der intellektuellen Darstellung des Stoffes musste ja kein persönlicher Glaube stehen."
Und die strengsten Marxisten machten es vor. Der russische Ethnograph und Religionsforscher Tokarev schrieb ein richtungsweisendes Buch über die Ursprünge der Religion. Und die russischen Völkerkundler beschäftigten sich zunehmend mit dem Schamanismus, indem sie betonen, wie wichtig es für den Erhalt der Völker sei, Menschen mit prophetischen Gaben – und Naturbeobachter – unter sich zu haben. So flüchtete mancher "aus der sozialistischen Realität in die urgeschichtliche Religion," wie es ein DDR-Historiker der mittleren Generation formulierte.
S. 331)
Manche Wissenschaftler kommen mit ihren Funden zu Behm-Blancke, weil sie sich scheuen, ihr Material kultisch zu interpretieren. Weil sie Angst haben, sich mit Deutungsversuchen fürchterlich zu blamieren. BB hatte nie Angst, er findet den geistigen Hintergrund des vorgeschichtlichen Menschen faszinierend:
Und zum Abschied sagte er:"Das Innere, das den Menschen bewegt, wie er sein Schicksal versucht zu verknüpfen, das macht das Menschsein aus und nicht, mit welcher Intelligenz er sein Werkzeug bearbeitet."
"Die Menschen, die geistige Hintergründe negieren, müssen Menschen sein, die sich nicht wirklich mit Menschen beschäftigen. Menschen, die die Menschen nicht lieben."